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Anwendung der GOÄ bei Behandlungsverträgen mit Kapitalgesellschaften

Von Frank Sarangi, LL.M. Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

4. Juni 2024

Bundesgerichtshof, Urteil vom 4.4.2024 – III ZR 38/23

Der #Bundesgerichtshof (BGH) hatte mit Urteil vom 4.4.2024 unter Ablehnung der Entschei-dung des OLG Frankfurt am Main(OLG, Urteil vom 29.11.2023 – 6 U 82/23) klargestellt, dass die #GOÄ bei der #Abrechnung von ärztlichen Leistungen auch dann Anwendung findet, wenn der #Behandlungsvertrag zwischen einem Pateinten und einer Kapitalgesellschaft geschlos-sen wird.

Der Kläger nahm das beklagte Universitätsklinikum auf Rückzahlung von Behandlungskosten in Anspruch. Der gesetzlich krankenversicherte Kläger befand sich bei der Beklagten wegen eines Prostatakarzinoms in ärztlicher Behandlung. Die Parteien vereinbarten, dass das inno-vative Cyberknife-Verfahren zur Anwendung kommen sollte. (…) Die Behandlung wird in der Regel ambulant durchgeführt. Das Verfahren ist in dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für gesetzlich krankenversicherte Patienten nicht enthalten und gehört daher grund-sätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen.

Die #Krankenkasse des Klägers lehnte eine #Kostenbeteiligung ab. Die Beklagte informierte den Kläger über die Ablehnung der Kostenübernahme und teilte ihm mit, dass er für die Kos-ten selbst aufkommen müsse, wenn er die Cyberknife-Behandlung wünsche. Der Kläger un-terzeichnete sodann unter dem 16. April 2020 eine Erklärung, mit der er bestätigte, die anfal-lenden Kosten in Höhe von 10.633 € nach erfolgter Behandlung zu begleichen. Der Kläger hat u.a. geltend gemacht, als Pauschalpreisvereinbarung widerspreche die Kostenübernahmeer-klärung den Bestimmungen der GOÄ.

Vor dem BGH hatte die Revision des Klägers Erfolg. Die Beklagte Klinik wurde zur Rückzah-lung verurteilt.

Die #Honorarvereinbarung sei nichtig, da sie gegen die Vorgaben der GOÄ verstoßen würde. Die im vorliegenden Fall erbrachten ambulanten ärztlichen Leistungen würden den Vorgaben der GOÄ widersprechen. Deren in § 1 Abs. 1 GOÄ beschriebener Anwendungsbereich setze nicht voraus, dass Anspruchsteller und Vertragspartner des Patienten ein Arzt sei, sondern dass die Vergütung für die beruflichen Leistungen eines Arztes geltend gemacht werde. Die GOÄ finde deshalb auch dann Anwendung, wenn der Behandlungsvertrag mit einer juristi-schen Person, zum Beispiel einem #Krankenhausträger, abgeschlossen werde und die (am-bulanten) Leistungen durch Ärzte erbracht würden, die lediglich im Rahmen eines Anstel-lungs- oder Beamtenverhältnisses in der Erfüllung ihrer eigenen Dienstaufgaben tätig und selbst mit dem Patienten keine Vertragsbeziehung eingehen würden.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GOÄ dürfe nur eine abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Abs. 1 Satz 2 GOÄ) oder eines abwei-chenden Punktwerts (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GOÄ) sei unzulässig. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 GOÄ bedürfe es zur Wirksamkeit einer abweichenden Honorarvereinbarung der individuellen Ab-sprache im Einzelfall zwischen Arzt und Zahlungspflichtigem, die in einem Schriftstück zu tref-fen sei, dass zur Gewährleistung hinreichender Transparenz die Nummer und Bezeichnung der Leistung, den Steigerungssatz und den vereinbarten Betrag enthalten müsse (§ 2 Abs. 2 Satz 2).

Ambulante ärztliche Leistungen seien auch dann nach der GOÄ abzurechnen, wenn der Be-handlungsvertrag mit einer juristischen Person (zB einem Krankenhausträger) oder einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) abgeschlossen werde und die Leistungen durch Ärzte im Anstellungs- oder Beamtenverhältnis erbracht werden. Dabei werde im Ausgangs-punkt auf den Wortlaut des § 1 Abs. 1 GOÄ abgestellt, wonach es für die Anwendung der GOÄ maßgeblich auf die Erbringung von „beruflichen Leistungen der Ärzte“ ankomme und unerheblich sei, mit wem der Patient den Behandlungsvertrag abschließe. Da die Gebühren-ordnung den Interessenausgleich zwischen denjenigen anstrebe, die die Leistungen erbräch-ten, und denjenigen, die zu ihrer Vergütung verpflichtet seien, komme sie zwangsläufig immer dann zur Anwendung, wenn die beruflichen Leistungen der Ärzte abgerechnet würden, unab-hängig davon, ob der Arzt oder ein Dritter (juristische Person) Vertragspartner des Patienten geworden sei.

Nach dem weit gefassten Wortlaut von § 1 Abs. 1 GOÄ sei die Verordnung auf alle „berufli-chen Leistungen der Ärzte“ anwendbar, ohne dass zwischen Leistungen differenziert wird, die auf Grund eines Behandlungsvertrags zwischen Arzt und Patient oder von Ärzten im Rahmen eines Anstellungs- oder Beamtenverhältnisses ohne eine eigene vertragliche Beziehung zum Patienten erbracht werden.

Der Einwand, dass die Cyberknife-Bestrahlung bislang im Gebührenverzeichnis zur GOÄ nicht aufgeführt sei, könne ebenfalls nicht durchgreifen. Gemäß § 6 Abs. 2 GOÄ könnten selbständige Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entspre-chend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenver-zeichnisses berechnet werden (zB Abschnitt O: Strahlendiagnostik, Nuklearmedizin, Mag-netresonanztomographie und Strahlentherapie).

Praxishinweise

Die Entscheidung des BGH korrigiert inhaltlich die anderslautende Entscheidung des OLG Frankfurt am Main aus November 2023 (Urt. v. 9.11.2023 – 4 U 82/23).

Das OLG hatte in einem scheinbar aufsehenerregenden Urteil entschieden, dass ausschließ-lich Ärzte als Vertragspartner der Patienten aus dem Behandlungsvertrag, Adressaten der GOÄ seien. Deshalb könnten – so das OLG – Kapitalgesellschaften wie eine Ärzte-GmbH etc., Preise frei vereinbaren, wenn sie den Behandlungsvertrag mit dem Patienten schließen würden und die geschuldete Behandlungsleistung durch einen angestellten Arzt oder einen Honorararzt erbringen ließen, den nicht der Patient, sondern die Gesellschaft bezahlt. Das OLG hatte in der hier zitierten Entscheidung ebenfalls vornehmlich auf den Wortlaut von § 1 Absatz 1 GOÄ abgestellt, kam allerdings zu dem Ergebnis, Vergütungen außerhalb ärztlich veranlasster Leistungen eben nicht dem Anwendungsbereich der GOÄ zu unterwerfen.

Mit der jetzigen Entscheidung des BGH ist dieser zukünftige Weg verschlossen und zwar unabhängig davon, mit wem der Behandlungsvertrag geschlossen wird. Werden ärztliche Leistungen zum Gegenstand der Abrechnung gemacht, so ist die GOÄ anwendbar.

Unberührt von der Entscheidung bleiben die Konstellationen von Vereinbarungen zwischen Krankenhausträgern und niedergelassenen Ärzten über deren Zuziehung im Rahmen allge-meiner Krankenhausleistungen. Diese unterfallen weiterhin nicht den Vorschriften der GOÄ (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 12.9.2009 – III ZR 110/09). Denn in diesen Fällen geht es nicht um den in der Ermächtigungsnorm des § 11 BÄO geforderten Ausgleich zwischen den Interessen der Ärzte und den Belangen der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten (Patien-ten), sondern um eine Einbindung und Vergütung einer ärztlichen Tätigkeit, die weder unmit-telbar dem Privatpatienten/Selbstzahler geschuldet noch vertragsärztlich erbracht wird Damit hat der Senat aber gleichzeitig zum Ausdruck gebracht, dass die Vorschriften der GOÄ grundsätzlich dann eingreifen, wenn ärztliche Leistungen einem Patienten in Rechnung ge-stellt werden, und zwar unabhängig davon, wer sein Vertragspartner ist.