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Beweislastgrundsätze auch im Rettungsdienst

Frank Sarangi LL.M. - Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

1. August 2023

  1. Die zum groben ärztlichen Behandlungsfehler entwickelten Beweislastgrundsätze finden auch im Rettungsdienst Anwendung.
  2. Im Falle eines Unterlassens muss der Kläger stehts am Maßstab des § 286 ZPO beweisen, dass der eingetretene Gesundheitsschaden bei fehlerfreiem Handeln nicht eingetreten wäre

OLG Hamm; Urt. v. 26.10.2022 (11 U 127/21)

 

Das OLG Hamm hatte im Kontext eines Rettungsdiensteinsatzes darüber zu entscheiden, ob es eine rettungsdienstliche #Amtspflichtverletzung darstellen würde, wenn auf einem #Rettungswagen (RTW) kein passender Schlüssel für eine Schranke im Wald oder ein sonstiges Werkzeug zur Öffnung von Schranken bei geländegängigen Einsatzstellen mitgeführt werde. Im Ergebnis hat das Gericht diese Frage verneint aber darauf hingewiesen, dass die aus dem #Arzthaftungsrecht entwickelten #Beweisgrundsätze bei einem groben ärztlichen Behandlungsfehler auch im Rettungsdienst gelten würden. Die Interessenlage sei in beiden Konstellationen gleich, da es auch im Rettungsdiensteinsatz, ähnlich der Situation des Arztberufes, um den Schutz von Leben und Gesundheit anderer gehe.

Die Kläger in dem hiesigen Fall waren die Erben des im #Rettungsdiensteinsatz reanimierten Patienten. Dieser war während eines Waldspaziergangs kollabiert und erlitt im Kontext mit einem Herzinfarkt einen Kreislaufstillstand. Die Einsatzstelle lag ca. 300 Meter hinter einer verschlossenen Schranke zum Waldweg. Beim Eintreffen an der Einsatzstelle musste der RTW vor der Schranke abgestellt werden und der restliche Weg bis zur Einsatzstelle fußläufig zurückgelegt werden. Die Kläger haben die Ansicht vertreten, dass ein #RTW stets alle erforderlichen Werkzeuge oder Schlüssel zur Öffnung von etwaigen Hindernissen mit sich führen müsse. Wäre der RTW unmittelbar an der Einsatzstelle zum Stehen gekommen, so hätte es keinen Zeitverzug gegeben mit der Folge, dass die Reanimation erfolgreich gewesen wäre und der Patient überlebt hätte.

Nach der durchgeführten #Beweisaufnahme kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg hat. Nach der Anhörung des Sachverständigen sei der Rettungsdiensteinsatz zwar nicht optimal aber eben nicht fehlerhaft verlaufen. Eine #Beweislastumkehr zugunsten der Klägerseite finde nicht statt. Zwar könnten im vorliegenden Fall die Grundsätze der Beweislastumkehr bei einem groben ärztlichen Behandlungsfehlern zur Anwendung gelangen, da die Interessenlage gleich ist. Dazu müsset aber zunächst überhaupt ein grober (Behandlungs-)Fehler des Rettungsdienstes feststehen. Einen solchen Fehler gebe es aber nicht. Ein RTW müsse keinen Schrankenschlüssel oder einen Bolzenschneider etc. zur Öffnung aller potentiellen Hindernisse mit sich führen. Eine solche Verpflichtung folge weder aus der DIN 3223 noch aus der Norm EN 1789:2014-12.

Die Parkposition eines RTW an der Einsatzstelle obliegt dem Ermessen der RTW-Besatzung. Diese müssten in der konkreten Einsatzsituation und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einsatzes entscheiden, welcher Abstellpunkt des RTW am sinnvollsten ist.