Fußballspiele und Twitter-Fotos der Polizei
11. Oktober 2022
Autor/en:
Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Dr. Bernd Josef Fehn
Anlass dieses Blog-Beitrags ist ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen, das sich am 13.10.2022 mit dem Fall beschäftigt (Az. 5 A 2808/19). Es geht um ein Spiel der Dritten Fußballbundesliga im Februar 2017. Im Rahmen einer geplanten Durchsuchung am Gästeeingang hatte die Polizei ein Foto von Gäste-Fans mit der Klägerin getwittert, um die Besucher vor einem Stau an der Einlasskontrolle zu warnen. Wegen einer möglichen Grundrechtsverletzung klagte der weibliche Fan vor dem Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf, das die Klage abwies (Urteil vom 06.06.2019, Az. 18 K 16606/17).
Das Ligaspiel war von den Sicherheitsbehörden als Risikospiel eingestuft worden, da der Einsatz verbotener Pyrotechnik durch beide Fan-Lager befürchtet worden war. Das war der Grund für die streitgegenständliche Kontroll- und Sicherheitsschleuse gewesen, wo sich ein Stau gebildet hatte. Angeblich aufgrund einer Choreographie in den Vereinsfarben, die nicht angemeldet gewesen war, hatten sich Gäste-Fans bei regenfreiem Wetter nicht zu öffnende weiße Regencapes übergezogen, die eine Identifizierung durch die Videoüberwachung vereitelt hatten. Die Einsatzleitung hatte überdies vermutet, dass darunter verbotene Pyrotechnik in das Stadion hätte geschmuggelt werden sollen. In der Folge war der Zugang zwecks Kontrolle gesperrt worden. Der polizeilichen Aufforderung zum Ablegen der Capes waren die Fans nicht nachgekommen. Daraufhin hatte sich ein Stau gebildet. Einige Fans hatten mit einer Stürmung des Eingangs gedroht. Die Polizei hatte den Einsatz eines Wasserwerfers angedroht. Schließlich waren insgesamt 18 Strafanzeigen, 12 gegen Gäste-Fans erstattet worden; es waren 17 Fälle von Ingewahrsamnahme, 11 auf Gästeseite zu verzeichnen gewesen.
Die angegriffene Twitter-Meldung mit einem Foto, auf dem größtenteils Fans mit Capes abgebildet sind, lautet auszugsweise: "#… Stau am Gästeeingang, einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern." Dieser Tweet war später wieder gelöscht worden. Die Klägerin trug vor, sie sei auf dem Foto zu erkennen gewesen und mehrfach darauf angesprochen worden. Mangels Feststellungsinteresses wurde die Klage abgewiesen. Überdies stehe der Twitter-Eintrag im Einklang mit dem Polizeigesetz für das Land Nordrhein-Westfalen. Schließlich sei die Klägerin auf dem Foto nicht zu erkennen und ein Eingriff in ihre Grundrechte daher nicht möglich gewesen.
Wir dürfen auf die Entscheidung des OVG gespannt sein. Im Falle von Demonstrationen gilt, dass nicht der Eindruck von staatlicher Überwachung, Einschüchterung, Abschreckung und Einwirkung auf die grundrechtlich geschützte Versammlung entstehen darf. Staatliche Funktionsträger haben sachlich, richtig und neutral zu berichten, sich bei Versammlungen zurückzuhalten und keine Wertung gegenüber der Legitimität etwaigen darin zum Ausdruck kommenden Protestes zu äußern.
Ob diese Maßstäbe auch auf die allgemeine Handlungsfreiheit, ein Fußballspiel zu besuchen, übertragbar sind, erscheint indes eher zweifelhaft. Denn die allgemeine Handlungsfreiheit gilt nicht grenzenlos. Sie darf das friedliche Zusammenleben der Menschen nicht stören, weshalb sie nur innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung, den Rechten anderer und dem Sittengesetz garantiert ist. Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehört das Polizeigesetz. Deshalb wird es womöglich maßgeblich darauf ankommen, ob dessen Vorgaben beachtet worden waren. Denn die Ablehnung eines Feststellungsinteresses dürfte angesichts einer kaum zu leugnenden Wiederholungsgefahr eher zweifelhaft sein.
Eine Twitter-Meldung "#… Stau am Gästeeingang“ dürfte kaum zu beanstanden sein. Mit dem Zusatz „einige Fans haben sich Regencapes angezogen, um die Durchsuchung zu verhindern" ist jedoch eine konkrete Anschuldigung verbunden. In Verbindung mit dem Foto bezieht sich diese auf alle abgebildeten Personen. Hierbei wird zu berücksichtigen sein, dass die Weiterverbreitung im digitalen Raum sekundenschnell und beinahe grenzenlos erfolgen kann. Ob der klagende Fan auf dem Foto tatsächlich zu erkennen ist oder nicht, ist Tatfrage und daher ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens.