Unter Leitung des rechtlichen Teams haben wir zusammen mit Kollegen und Ärzten aus Dänemark, Schweden, Spanien und Kroatien auf Ersuchen des Gremiums für die Zukunft von Wissenschaft und Technologie (STOA) des Europäischen Parlaments an einer Studie zu den Herausforderungen der länderübergreifenden Zusammenarbeit seltener Krankheiten mitgearbeitet.
Über 30 Millionen EU-Bürger leiden an einer seltenen Erkrankung, die durch eine Prävalenz von weniger als einer von 2.000 definiert ist. Zur Erforschung und Behandlung von seltenen Erkrankungen ist jedoch eine hohe Zahl an Patientendaten erforderlich. Einzelnen Krankenhäuser ist es aufgrund der geringen Anzahl an eigenen Patienten oft nicht möglich die erforderlichen Daten zu generieren.
Um eine europaweite Zusammenarbeit zwischen Krankenhäusern zu ermöglichen und somit sowohl die Herausforderungen des Patientenvolumens zu lösen, als auch den Austausch von Fachwissen zu stärken, untersuchten wir die rechtlichen Anforderungen, die sich insbesondere aus dem Datenschutzrecht, der Richtlinie über Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung und der Verordnung über Arzneimittel für seltene Leiden ergeben. Miteinbezogen wurden auch die Möglichkeiten, die sich aus dem europäischen Gesundheitsdatenraum und dem Europäischen Referenz Netzwerk ergeben.
Ziel war es der Europäischen Kommission aufzuzeigen, welche rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, um das Patientenaufkommen und damit die Entwicklung klinischer Expertise zu erhöhen. Im Fokus standen dabei folgende Ziele:
- Beteiligung von europäischen Experten bei der Behandlung eines Patienten mit einer seltenen Erkrankung (primäre Verwendung von Patientendaten)
- Zugang zu Daten von Patienten mit einer seltenen Erkrankung (in Form von Befundung), auch wenn Ärzte nicht an der Behandlung beteiligt sind, um die Behandlung für eigene Patienten zu optimieren;
- Zugriff auf Patientendaten zu Forschungszwecken.
Nach unserer Einschätzung bestehen derzeit insbesondere datenschutzrechtliche Hindernisse bei der länderübergreifenden Verarbeitung von Patientendaten. Das Forschungsprivileg aus Art. 9 Abs. 2 lit. j DSGVO, aber auch die Möglichkeit der Einholung von Einwilligungen birgt im Hinblick auf die beabsichtigten Ziele der Studie zu viele Rechtsunsicherheiten.
Um die Ziele dennoch zu erreichen, haben wir unter anderem vorgeschlagen, eine zentrale europäische Stelle einzuführen, deren Aufgabe die Erhebung und Verwaltung der Patientendaten unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen ist, auch um den erforderlichen Echtzeitzugriff auf Patientendaten zu ermöglichen.
Die Studienergebnisse wurden bereits dem STOA-Gremium in Straßburg und dem SANT-Unterausschuss der EU präsentiert. Es ist derzeit beabsichtigt, die Umsetzung der Empfehlungen der Studie noch vor Ende der Legislaturperiode des EU-Parlaments im Juni 2024 anzustoßen.
Die gesamte Studie ist über folgenden Link zu finden: