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Patient darf sofort nach der Aufklärung in den Eingriff einwilligen – keine zwingende Bedenkzeit erforderlich

Frank Sarangi LL.M. - Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht

15. Februar 2023

Mit einer jetzt veröffentlichten Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) bei vielen Krankenhäusern für ein lautes Aufatmen gesorgt. Mit seinem Urteil vom 20.12.2022 – VI ZR 375/21 stellte der BGH klar, dass eine #Aufklärung nicht unwirksam sei, wenn der #Patient unmittelbar nach der Aufklärung in den #Eingriff einwillige, etwa indem er den Aufklärungsbogen unterschreibe. Doch was war passiert?

Im November 2021 urteilte das OLG Bremen (5 U 63/20) dass eine Aufklärung dann unwirksam sei, wenn diese zwar formal inhaltlich korrekt sei, der Patient allerdings am Tag der #Aufklärung den #Aufklärungsbogen unterschreiben würde. Der Grund war aus Sicht des OLG Bremen banal: Wenn der Patient am Tag der Aufklärung unterschreiben würde, habe er keine Bedenkzeit. Auch wenn sich ein Patient dann im Nachgang der Aufklärung in die stationäre Behandlung begeben würde, sei dieses Verhalten keine konkludente Einwilligung in den Eingriff. Dem Fall lag eine HNO-ärztliche Operation zugrunde. Der klagende Patient wurde durch einen niedergelassenen HNO-Arzt zur operativen Begradigung einer #Septumdeviation sowie einer #Nasennebenhöhlenoperation in das beklagte #Krankenhaus eingewiesen. Im Rahmen einer prästationären Vorstellung wurde dann die inhaltlich korrekte Aufklärung durchgeführt und der Aufklärungsbogen unterzeichnet. 3 Tage später stellte sich der Patient dann wie geplant zu stationären Aufnahme und zur Durchführung der #Operation vor.

Intraoperativ kam es zu einer arteriellen Blutung, zu einer Verletzung der Dura Mater sowie des Nervus olfactorius, alles samt typische #Komplikationen dieses Eingriffs. Das OLG Bremen hielt die Aufklärung, aus den oben genannten Gründen für unwirksam. Den Einwand, dass der Patient ja mit der Vorstellung im Krankenhaus und der Durchführung der Operation zumindest konkludent in den Eingriff eingewilligt habe, ließ das OLG Bremen nicht gelten. Das Urteil sorgte nicht nur bei der Krankenhauslandschaft für Unmut zumal es sich klar über den Gesetzeswortlaut hinwegsetzte.

Mit der oben zitierten Entscheidung hat der BGH nun klargestellt, dass zwischen der Aufklärung vor einem operativen Eingriff und der Unterzeichnung des Aufklärungsbogen (Einwilligung) keine zwingende Bedenkzeit eingehalten werden müsse. Patient könne vielmehr sofort nach der Aufklärung entscheiden, eine Behandlung vornehmen zu lassen. Dies folge nicht zuletzt aus § 630e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB.

Praxishinweis: Trotz der absolut begrüßenswerten Entscheidung des BGH gelten die gesetzlichen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur präoperativen Risikoaufklärung fort. Der Patient muss also so rechtzeitig vor dem Eingriff über die Risiken im Großen und Ganzen sowie über individuell erhöhte Risiken aufgeklärt werden, dass er ausreichend Bedenkzeit für und gegen den Eingriff hat. Dies gilt insbesondere bei elektiven Eingriffen. Bei den ambulanten Eingriffen lassen die Gerichte eine Aufklärung am Vortag oder auch am Tag der ambulanten Behandlung zu. Hier muss allerdings danach differenziert werden, ob der Patient am Tag des ambulanten Eingriffs erstmals mit solchen Risiken konfrontiert wird, die für ihn überraschend sind (Bsp: Schädigung des Nervus Medianus bei einer Karpaltunnel-Operation). In einem solchen Fall wäre eine Aufklärung am selben Tag tatsächlich unwirksam.