Rechtsstaatsprinzip im Lichte der Völkerrechtsfreundlichkeit versus Demokratieprinzip
Dem #Bundesverfassungsgericht (Az. 2 BvL 21/14) liegt bereits seit 2014 auf Grund eines Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses des #Bundesfinanzhofes (#BFH) vom 20.8.2014 (Az. I R 86/13) ein Verfahren zur Prüfung der Frage vor, ob ein sog. #Treaty #Override i. S. d. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 #EStG 2002/2007/2009 sowie gem. § 52 Abs. 59a Satz 9 i. V. m. § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG 2009 verfassungswidrig ist. Dies ist mit Blick auf die Entscheidung des #BVerfG aus dem Jahr 2015 (BVerfG vom 15.12.2015, 2 BvL 1/12) zur Verfassungskonformität eines #Treaty_Override gem. § 50d Abs. 8 EStG 2003 „ein alter Hut“ und längst zu Gunsten der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit entschieden – könnte man meinen.
Offenbar scheint sich der Zweite #Senat des BVerfG nun aber dieses Vorlageverfahrens nach fast achtjähriger „Liegedauer“ annehmen zu wollen. Anlass zu einer erneuten tiefergehenden rechtlichen Befassung mit dieser nur vordergründig steuerrechtlichen, tatsächlich aber rein verfassungs- und völkerrechtlichen Problematik (#Grundgesetz) „am Aufhänger des #Steuerrechts“ bietet der Umstand, dass die damalige Richterin des Zweiten Senats des BVerfG Prof. Dr. König als ausgewiesene Völkerrechtlerin ein abweichendes Votum zum Beschluss vom 15.12.2015 und damit zur Auffassung der Senatsmehrheit abgab. Da der Zweite Senat nunmehr unter dem Vorsitz von Frau Prof. Dr. König, die zugleich Vizepräsidentin des BVerfG ist, in neuer Besetzung zur Entscheidung berufen ist, besteht Anlass zu der Annahme, dass das BVerfG an seiner verfassungs- und völkerrechtlich diskussionswürdigen Rechtsprechung zum Treaty Override nicht mehr festhält und neue Wege geht, die sich nicht nur in die deutsche Verfassung und die Unionsrechtsordnung, sondern auch in das Selbstverständnis eines modernen Staates im Gefüge der Staatengemeinschaft einfügen.
Unser Partner Prof. Dr. Dr. Karsten Fehn hat zu diesem Thema als Mitglied des #Verfassungsrechtsausschussesder #Bundesrechtsanwaltskammer als Berichterstatter für dieses Verfahren im Rahmen einer vom BVerfGgemäß § 27a BVerfGG angeforderten Stellungnahme ein #dissenting #vote zu einer früheren, anderslautenden Stellungnahme des Verfassungsrechtsausschusses der #BRAK abgegeben. In der Folge haben Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Dr. Bernd Josef Fehn und Rechtsanwalt Prof. Dr. Dr. Karsten Fehn einen Beitrag mit dem Titel
Treaty Override – Zeit für einen #Paradigmenwechsel
#Rechtsstaatsprinzip im Lichte der #Völkerrechtsfreundlichkeit versus #Demokratieprinzip
in der Ausgabe 5/2022 der Zeitschrift „#Die_Steuerberatung“ (S. 161 bis S. 200) veröffentlicht.
In dieser Untersuchung kommen wir zu folgendem Ergebnis:
1.) § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG 2002/2007/2009 ist verfassungs- und unionsrechtswidrig. Auf Grund der Zuständigkeit des EuGH als gesetzlichem Richter ist das Verfahren vor dem BVerfG auszusetzen und dem #EuGH vorzulegen, wenn und soweit das BVerfG unter Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung nicht auf eine Verfassungswidrigkeit der Norm erkennt.
2.) § 52 Abs. 59a Satz 9 i. V. m. § 50d Abs. 9 Satz 3 EStG 2009/2013 ist verfassungswidrig und damit durch das BVerfG zu verwerfen, weil ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip in Form der Anordnung einer unzulässigen echten #Rückwirkung vorliegt.
3.) Dies führt im Falle einer Vorlage an den EuGH dazu, dass gleichermaßen das Rechtsstaatsprinzip der EU als verletzt zu rügen ist.
4.) Jedenfalls muss aus der Sicht des deutschen Verfassungsrechts mit Spannung darauf gewartet werden, ob sich das BVerfG von seiner früheren Rechtsprechung abwendet.
Die Zeit dazu ist überfällig.